Juni 2003 Sensationsfund auf dem Domhügel
Thomas Nawrath
Auf dem Magdeburger Domhügel "buddeln" die Archäologen. Im Auftrag der Deutschen Presseagentur (dpa) bin ich mit dem Grabungsleiter verabredet: Rainer Kuhn. Imposante Erscheinung. Dass er Schwabe ist, ist nicht zu überhören. Ansonsten hat Kuhn keine Berührungsängste, weder gegenüber dem neugierigen Journalisten noch gegenüber vorbeischlendernden Touristen. Geduldig gibt er Auskunft.
Die Grabung beruhe eigentlich auf einem Zufallsfund, erläutert er. Für ein Toilettenhäuschen sollte ein Anschluss ans Abwssernetz her. Doch daraus wird erst einmal nichts. Nun sind die Archäologen auf der Ostseite des Domplatzes im Einsatz. Direkt vor der Pforte der Staatskanzlei (Hinweis: mittlerweile ist dort wieder das Justizministerium einquartiert und die Staatskanzlei in der Hegelstraße). Ein gut 40 Meter langes Folienzelt überspannt die Ausgrabung. Beeindruckend! Etliche Grabungshelfer, Zeichner und eine Fotografin gehen Kuhn zur Hand.
Der Wissenschaftler gibt sich zurückhaltend. Er verweist auf Fundamentreste und Ausbruchgräben ehemaliger Mauern. Wie ein Negativabdruck haben sie im Erdeich die Jahrhunderte überdauert. Oder genauer gesagt: Mehr als ein Jahrtausend, wie jüngste Radiokarbonmessungen bestätigt haben. Hier hat offenbar während der Regierungszeit Ottos des Großen (912-973) ein Sakralbau mit beeindruckenden 41 Metern Breite gestanden.
Ist dies der von Kaiser Otto in den 960er Jahren initiierte Erzbischöfliche Dom zu Magdeburg? Der Mauritiusdom? Archäologe Kuhn will sich noch nicht festlegen, formuliert lieber im Konjunktiv. Erst auf Nachfrage bestätigt er: "Dies ist einer der wichtigsten Funde zur Geschichte des europäischen Frühmittelalters." Der dpa-Reporter schreibt "lang gesuchter Kaiserdom gefunden". So eindeutig will es der Wissenschaftler Kuhn eigentlich nicht sagen, stimmt erst nach einem längeren fachlichen Disput zu: "Ja, das könnte sein." Bisher dachten Historiker und Archäologen, dass der ottonische Dom unter dem noch heute erhaltenen gotischen Dom zu finden sei - und auf dem Domplatz die Pfalz Kaiser Ottos gestanden hätte.
Doch das Grabungsteam von Kuhn fand eine gemauerte Bestattung - das spricht sehr deutlich gegen die Pfalz-These. Ansonsten wurden Reste einer früher reichen Ausstattung von den Archäologen freigelegt: italienischer Marmor, wertvolle Glasmosaiksteinchen, glasierte Wandfliesen und farbiger Wandputz. Überdies hatte das nun nachgewiesene Gotteshaus geradezu monumentale Ausmaße: "Einige der Fundamentgräben sind 3,20 Meter breit", informiert Grabungsleiter Kuhn. "Bei nachgewiesenen 41 Meter Breite und vielleicht 60 Meter Länge war es in jener Zeit neben dem Kölner Dom das größte Gotteshaus nördlich der Alpen." Muss nun die Geschichte der Kaiserstadt an der Elbe umgeschrieben werden?
Für den Archäologen bleibt nun noch zu klären, wo die ottonisch Pfalz gestanden hatte. "Am wahrscheinlichsten ist wohl, dass sich dieser Palastbau weiter nördlich befand", so Kuhn. "Da würde ich gern einige Probegrabungen durchführen", verrät er schmunzelnd. Und der Journalist wäre da auch gern dabei.